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Seit es Computerspiele gibt, wird darüber diskutiert, in welcher Beziehung sie zur Realitätswahrnehmung der Spielenden stehen. Im Zusammenhang mit Virtual Reality (VR) stellt sich diese Frage noch akuter und auf ganz neue Weise: VR-Brillen erlauben es, komplett in eine digital generierte Welt einzutauchen. Anders als herkömmliche Bildschirme bietet dieses Medium neue Möglichkeiten, sich in immersiven virtuellen Umgebungen zu verlieren. Doch dieses Medium kann auch verwendet werden, um sich mit intellektuell, emotional und ethisch anspruchsvollen Themen zu befassen.
Von Fabian Winiger
Artikel aus dem Magazin facultativ 2024
«Ich erlebte etwas, das man als Ekstase der Vereinigung beschreiben kann. Ich sah die Verbundenheit nicht nur, ich fühlte sie und erlebte sie mit allen Sinnen. Ich war überwältigt von dem Gefühl, mich körperlich und geistig in den Kosmos auszudehnen. Die Fesseln und Grenzen von Fleisch und Knochen fielen weg. […] Klar war jedoch, dass die traditionellen Antworten auf die Fragen ‹Wer sind wir?› und ‹Wie sind wir hierhergekommen?›, die sowohl von der Wissenschaft als auch von religiösen Kosmologien hergeleitet werden, unvollständig, veraltet und fehlerhaft sind. Dieser Prozess beinhaltet mehr, als wir uns bisher erträumt haben.» [1]
Mit diesen Worten beschrieb Edgar D. Mitchell ein Gefühl, das ihn überwältigte, als er 1971 an Bord der Mondlandefähre zur Kommandokapsel von Apollo 14 zurückkehrte. Mitchell befand sich in einem Zustand, der von Astronaut:innen als «Overview-Effekt» bezeichnet wird: Eine profunde, fast schon mystische Erfahrung, die zu einem «kognitiven Shift» führt, der selbst den hartgesottenen Piloten der US-amerikanischen Kriegsmarine nach Worten ringen liess. In manchen Astronaut:innen führte der transformative Blick vom Raumschiff auf die Erde zu einer grundlegenden Wandlung ihrer Wahrnehmung, wie sie damals nur im Zusammenhang mit bewusstseinserweiternden Substanzen beschrieben wurde. Apollo 14 beförderte Mitchell zum einen in den Weltraum, zum anderen in einen neuen Resonanzraum, in dem der Raumfahrer eine neue «Weltbeziehung» (Hartmut Rosa) entwickelte:
«Du entwickelst sofort ein globales Bewusstsein, eine menschliche Orientierung, eine intensive Unzufriedenheit mit dem Zustand der Welt und den Zwang, etwas dagegen zu tun. Von dort draussen auf dem Mond sieht die internationale Politik so kleinlich aus. Man möchte einen Politiker am Genick packen, ihn eine Viertelmillion Kilometer weit wegschleifen und sagen: ‹Sieh dir das an, du Mistkerl›.» [2]