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Für Musliminnen und Muslime stellt sich bei medizinischen Eingriffen nicht nur die Frage nach Wirksamkeit und Risiken, sondern auch danach, ob sie «islamkonform» sind. Antworten liefert traditionellerweise die islamische Rechtslehre. Bei präventiven Eingriffen wie vorbeugende Brustentfernungen bei erhöhtem Krebsrisiko ist die Sachlage kompliziert.
Von Hadil Lababidi
Artikel aus dem Magazin facultativ 2024
Der Islam durchdringt als Normen- und Wertesystem alle Lebensbereiche der Gläubigen und dient ihnen als moralische und spirituelle Richtschnur. Deshalb ist es vielen Musliminnen und Muslimen wichtig, basierend auf ethischen Überzeugungen zu handeln, die unmittelbar mit islamischen Grundwerten verknüpft sind. Das betrifft auch medizinethische Fragen, bei denen sich Gläubige in der Regel an Rechtsgelehrte wenden. Diese können abwägen, ob eine Behandlung oder ein Medikament aus islamischer Sicht zulässig, empfehlenswert, neutral, verpönt oder verboten ist. Medizinethische Fragen fallen traditionellerweise in den Bereich des islamischen Rechts und werden dort behandelt. Die islamisch geprägte Medizinethik ist daher vorwiegend kasuistisch: Eine bestimmte Frage wird von einem Rechtsgelehrten in einem Ersuchen angesprochen und eine (unverbindliche) Empfehlung (fatwā, pl. fatāwā) ausgesprochen. Ein wichtiger Grundsatz lautet dabei, dass ein medizinischer Eingriff nur im Notfall vorgenommen werden soll. Entsprechend wird z. B. die Behandlung von Krebs in islamisch geprägten medizinethischen Debatten nur im Zusammenhang mit einer möglichen Heilung diskutiert.
Bei Brustkrebs, der weltweit häufigsten Krebserkrankung bei Frauen, kann jedoch auch eine vorbeugende radikale Brustentfernung, eine sogenannte Mastektomie, eine Behandlungsoption sein, wenn ein genetisch erhöhtes Risiko besteht. Für viele Musliminnen und Muslime stellt sich dann die Frage, ob eine präventive Entfernung und die Wiederherstellung der Brust islamkonform sind. In diesem Fall treten zwei Probleme auf: zum einen wird ein präventiver Eingriff und zum anderen eine Brustwiederherstellung unternommen, obwohl es sich bei beiden Situationen nicht um einen akuten Notfall handelt.