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Rassismus auf dem Internationalen Frauentag? Ungleichbehandlung im Gesundheitswesen von Menschen, die als «fremd» wahrgenommen werden? Meltem Kulaçatan, Professorin für Soziale Arbeit, erzählt von ihrer Forschung mit Jüdinnen und Musliminnen und ihren Erinnerungen an ihre Arbeit in der Psychiatrie. Es geht um Misogynie und areligiösen Feminismus, um rassifizierte Zuschreibungen und um positive Stereotype, die auch rassistisch und antisemitisch sein können. Erklärt wird zudem, wie Religion im Umgang mit Ablehnung und Rassismus auch zur Ressource werden kann – und was Ramadan und Jom Kippur damit zu tun haben.
Meltem Kulaçatan ist Professorin für Soziale Arbeit an der Internationalen Hochschule in Nürnberg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Jugend, Religion mit Schwerpunkt Islam, Migration, Frauen- und Geschlechterforschung, Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft, jüdisch-muslimische Gegenwartsbeziehungen sowie islamistisch bedingte Radikalisierung und Radikalisierungsprävention in Deutschland. Sie war Projektleiterin (2017–2021) der Projekte «Religiöse Selbstentwürfe junger Muslim:innen in pädagogischen Handlungsfeldern», «Mapping und Analyse von Präventions- und Distanzierungsprojekten im Umgang mit islamistischer Radikalisierung» und «Frauen- und Mädchenarbeit im Kontext von Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention».
Mehr zu Forschung und Publikationen von Meltem Kulaçatan finden Sie hier:
www.iu.de/hochschule/lehrende/kulacatan-meltem/
www.mapex-projekt.de/projektinformationen/
Systematische Herausforderungen für Angebots- und Bedarfsstrukturen der schulischen Präventionsarbeit (2023)
Die Anerkennung der Vielen (2020)
Werte und Religion. Raus aus der «Islam-Ecke» (2020)
Wie kommt das Einhorn in die Astrologie? Wie passt das Interesse v.a. von jungen Frauen an Sternzeichen und Horoskopen in den Zeitgeist? Alexandra Kruse, Astrologin, spirituelle Entrepreneurin, Podcasterin, Hexe und «hart am Klischee» erklärt im Gespräch ihre Sicht zu den Chancen und Gefahren der Astrologie. Es geht um Sternkonstellationen und Datingverhalten, um das Verschieben von Operationen und um Entlastung ohne «aus der Verantwortung zu entlassen». Und auch Tina Turner, Matcha Latte und nicht zuletzt das Bezahlen von Rechnungen spielen im Gespräch zwischen Astrologin und Religionswissenschaftlerin eine Rolle.
Mehr zu Alexandra Kruse finden Sie hier:
Wer sind Doulas? Warum wächst die Nachfrage nach ihnen? Welche Rolle spielen sie im Judentum und welche für Frauen, die in der Schweiz Asyl suchen? Kürzlich hat eine Studie auf die besonders prekäre Situation der Gesundheitsversorgung im Asylwesen hingewiesen. Warum Doulas hier ganz besonders wichtig für die Begleitung in der Schwangerschaft sind, erklärt Jill Marxer im Podcast. Sie spricht über die Besonderheiten der Arbeit von jüdisch-orthodoxen Doulas, erklärt wie sich Hebammen und Doulas im Gesundheitswesen ergänzen und geht auf verschiedene Übergangsriten ein.
Jill Marxer studierte Religionswissenschaft, Soziologie, Islamische Welt und Jüdische Studien, mehr zu ihr finden Sie hier, eine weitere Folge mit ihr, «Weibliche Beschneidung als religiöse Praxis?», hören Sie hier.
Informationen zu der im Gespräch erwähnten Studie der Berner Fachhochschule finden Sie hier; mehr erfahren Sie in einem Artikel von Jill Marxer: «Besser gebären mit ‹urweiblichem Wissen›?»
Wieso studieren viele Menschen aus Zentralasien ausgerechnet in der autonomen russischen Republik Tatarstan Islam? Weshalb haben in Tatarstans Hauptstadt Kasan religiöse Unternehmer:innen Aufschwung und hippe Halal-Cafés Erfolg? Und was hat das alles mit Kommunismus zu tun? Dominik Müller ist Lecturer für Islam in Europa am Religionswissenschaftlichen Seminar der UZH und berichtet im Podcastgespräch von der Republik Tatarstan, die hierzulande kaum jemand kennt, obwohl sie geografisch Teil von Europa ist. Er wirft einen Blick in die Geschichte der Region und erzählt, wie Iwan der Schreckliche Moscheen zerstört und Katharina die Grosse religiöse Vielfalt gefördert hat, wie der Islam in der Sowjetunion zuerst als Urkommunismus interpretiert und später verfolgt wurde. Vor allem zeigt Müller aber auf, wie lebendig, modern und urban der Islam in Tatarstan heute ist. Er schildert wie Fashion-Influencer:innen an lange stigmatisierte Traditionen anknüpfen und wie ein junger Elektromusik-Produzent in einer Datscha zum Akkordeon greift und klassische tatarische Musik anstimmt.
Soll der Mensch sich selbst zum «nächsten Schritt in der Evolution» verhelfen? Kann die Seele auf einen Chip geladen werden? Und welche spirituellen und ethischen Konsequenzen haben solche Überlegungen für Musliminnen und Muslime? Hureyre Kam geht auf die neusten Debatten rund um KI-Technologien und Transhumanismus ein und spricht über Enhancement, Mind Uploading und Cyborgs. Es geht darum, ob der Film «Matrix» mehr ist als ein Hollywood-Blockbuster und ob wir in einer Simulation leben. Hureyre Kam ist im Herbstsemester 2024 als Gastprofessor für Islamische Theologie und Bildung an der TRF in Zürich.
Was, wenn Christ:innen sich lieber zum Wandern oder online treffen als im Kirchenraum? Wie könnte eine (reformierte) Kirche aussehen, in der nicht die Pfarrpersonen das Heft in der Hand haben? Und was haben die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung mit Feminismus zu tun? Evelyne Baumberger, Co-Leiterin des RefLab, erläutert im Podcast-Gespräch auch was unter «Nomanden-Christ:innen» und «Hiking-Church» zu verstehen ist und weshalb ein kirchliches «One-size-fits-all»-Modell nicht funktioniert. Sie spricht sich für flexiblere Strukturen, weniger Hierarchien und für einen Feminismus aus, der sich für alle Benachteiligten stark macht. Ausserdem verrät sie, was für die Arbeit auf Social Media wichtiger ist als die blanken Followerzahlen.
Haben alle Menschen ein Recht darauf, Kinder zu bekommen? Welche Rolle spielen internationale Beziehungen und Migrationspolitik im Zusammenhang mit Eizellspende und Leihmutterschaft? Und was hat das alles mit Feminismus und Religion zu tun? Die Sozial- und Kulturgeografin Carolin Schurr zeigt auf, wie Leihmutterschaft und Eizellspende neue Familienformen ermöglichen, gleichzeitig aber auch zu neuen Formen der Ausbeutung führen können. Sie spricht über Spanien als El Dorado des Reproduktionsmedizin-Tourismus, über den Gerechtigkeitskampf des Schwarzen Feminismus in den USA und über die fehlende gynäkologische Versorgung von asylsuchenden Frauen in der Schweiz. Ausserdem geht Schurr auf den medizin-ethischen Umgang mit genetischen Erbkrankheiten ein und erzählt, welche Rollen Gott und der Religion bei all diesen Fragen zugesprochen werden.
Warum berichten Briefschreiber:innen im 16. Jahrhundert immer wieder von Dingen, die nie passiert sind? Was veranlasst den angehenden Kaiser dazu, mit einem Zürcher Pfarrer zu korrespondieren? Und weshalb war der Bote manchmal wichtiger als der Brief, den er überbracht hat? David Mache und Paul A. Neuendorf entziffern, übersetzen und edieren Briefe aus dem Briefwechsel von Heinrich Bullinger, dem Nachfolger von Ulrich Zwingli. Die rund 12 000 erhaltenen und im Archiv der UZH gelagerten Briefe von und an Bullinger gewähren einzigartige Einblicke in Politik, Alltagsleben und Mentalität des 16. Jahrhunderts, stellen Mache und Neuendorf aber auch immer wieder vor grosse Herausforderungen. Im Podcastgespräch erzählen sie von ihrer Arbeit als Detektive und von Lügen, Geheimschrift und den heilenden Kräften eines Stückchen Einhornhorns.
Weitere Informationen:
Bullinger-Briefwechsel-Edition
Bullinger Digital
Heinrich Bullinger-Stiftung
Wer hat die Macht in der reformierten Kirche der Schweiz? Hat die Kirche überhaupt noch politischen Einfluss? Was unterscheidet die Kirche von einem Hilfswerk? Und: Kann sie wirklich dabei helfen, mit Ängsten umzugehen? Stephan Jütte, zuständig für die Kommunikation bei der Evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz (EKS) und Leiter des Kompetenzzentrums für Theologie und Ethik (KTE), erklärt im Podcast-Gespräch, weshalb die dezentrale Organisation der Reformierten Kirche ihre grosse Stärke ist und warum sie nicht auf ihr soziales Engagement reduziert werden darf. Jütte macht sich stark für das «Kultische» und das Bewusstsein, dass es Dinge gibt, die bedeutender sind als das eigene Leben. Ausserdem spricht er über Kirchgemeinden, die sich um Anweisungen foutieren, und über viel zu grosse Pullis und Selbstverzwergung.
Informationen zur im Gespräch erwähnten Aktion «Beim Namen nennen» finden Sie hier.
Weshalb erhalten die Kirchen Geld vom Staat, obwohl ihre Mitgliederzahlen rapide sinken? Müssen alle Religionsgemeinschaften gleich behandelt werden? Und was bringt das alles den Atheist:innen? Im Podcastgespräch spricht die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr offen darüber, dass Religionsgemeinschaften den Staat immer wieder in seiner Autorität herausfordern. Sie betont aber auch, welche grosse Bedeutung sie für die Gesellschaft nach wie vor haben und welche ungeheure Ressource insbesondere der starke interreligiöse Dialog ist. Fehr spricht sich mit Nachdruck dafür aus, jenen den Rücken zu stärken, die hier leben wollen, und nicht denjenigen das Wort zu reden, die Religion dazu benutzen, Menschengruppen gegeneinander auszuspielen.
Im Gespräch erwähnte Texte und Studien:
Wie lässt sich Grausamkeit, Verlogenheit, Trauer, Einsamkeit und Hoffnung mit Musik ausdrücken? Rudolf Lutz führt es vor in seinem jüngsten Werk, wo er – ausgehend von Bachs verloren gegangener Markuspassion – etwas Neues geschaffen hat: Die musikalische Geschichte von einem verzweifelten Jesus, einem vielschichtigen Judas, schottischen Legionären, Jüngern, die nichts mehr verstehen und Frauen, die eine ziemlich entscheidende Rolle spielen.
Wie geht ein Komponist vor, wie setzt er gezielt Motive ein, wie versucht er Text musikalisch auszudrücken? Und was bewegt ihn, wenn er sich mit einzelnen Figuren auseinandersetzt?
Im Gespräch mit dem Musiker Rudolf Lutz und dem Theologen Jörg Frey geht es – mit Musikeinspielungen – um eine Oktave als Vollendung einer Idee und um barocke Sprache, die heute verstanden werden soll und sich in Teilen anhört wie Musik des 20. Jahrhunderts. Jörg Frey findet, dass Lutz Bach in seiner Expressivität noch einmal steigert, Rudolf Lutz findet, dass er Bachs Ideen neu benutzt hat, und spricht von grossen Momenten. Er erzählt, weshalb er diese «gewagte Sache» in Angriff genommen hat, wie er beim Komponieren vorgegangen ist und welche Überlegungen ihn bei der Konturierung einzelner Passagen geleitet haben. Gemeinsam mit Jörg Frey und Dorothea Lüddeckens denkt Lutz über die ungeheure Einsamkeit von Jesus nach und erläutert, wie er der Komplexität der Judas-Figur begegnet ist. Ausserdem geht es um «angenehmes Mordgeschrei», Antijudaismus und den römischen Hauptmann Miles. Zu hören sind immer wieder Ausschnitte aus der Uraufführung – kommentiert, eingeordnet und erläutert aus wissenschaftlicher und musikalischer Perspektive.
Gegenstand ist die Markus-Passion nach Bach'schem Libretto, uraufgeführt am 1. März 2024 in der Aula der Universität Zürich, komponiert von Dr. h.c. Rudolf Lutz, Ehrendoktor der Theologischen und Religionswissenschaftlichen Fakultät 2021. Zeitgleich mit dieser Podcast-Episode erscheint auch eine Aufnahme der Uraufführung.
Klöster werden im Durchschnitt 750 Jahre alt, moderne Aktiengesellschaften gerade einmal 25 Jahre. Klöster kennen keine überrissenen Managerlöhne, besitzen aber eine robuste «Governance» und können auf einer gemeinsamen Wertebasis aufbauen. Religion scheint auch ausserhalb von Klöstern gut für die Arbeitsmoral zu sein, das zeigt eine Studie, die auch nachweist, dass religiös sozialisierte Personen stärker an Politik interessiert sind. Die Soziologin Katja Rost erklärt im Podcast auch, warum sie überzeugt ist, dass ein qualifiziertes Losverfahren bei der Wahl von Professor:innen besser wäre: es wäre weniger korrumpierbar, würde besser vor eingebildete Professor:innen schützen – und Geld sparen.
Informationen zur im Podcast erwähnten Studie zum Beitrag von Zürcher Religionsgemeinschaften zum Gemeinwohl finden Sie hier.
Am Karfreitag wurde Jesus gekreuzigt, am Ostersonntag ist er auferstanden – und dazwischen, am Karsamstag? Auf zahlreichen Bildern wird es abgebildet: Jesus steigt in die Unterwelt zu den Toten. Die Theologin Katharina Merian spricht über die Deutung dieses Abstieges in die Unterwelt, über die Woche vor dem Karfreitag, die jüdischen Kontexte von Schabbat und Pessach und wie das heute auch für Nicht-Christen «Sinn» machen kann.
Können Internet und Social Media im Umgang mit dem Tod helfen? Wie wird auf Instagram getrauert und welche Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod sind damit verbunden? Die Theologin Lea Gröbel forscht im Rahmen des universitären Forschungsschwerpunkts «Digital Religion(s)» zu digitalen Gedenkorten und Trauerpraktiken. Im Podcastgespräch erzählt sie, wie Social-Media-User:innen ihre Beziehungen zu Verstorbenen öffentlich machen, über die Toten und zu den Toten sprechen und sie so im eigenen Leben präsent halten. Oft werden sie als Engel beschrieben, die oben im Himmel und doch ganz nah bei den Trauernden sind, meist wird ihre Gegenwart als eine Ressource erlebt, manchmal kann sie vielleicht auch zur Belastung werden. Und was sagt die christliche Theologie dazu?
Heilige Frauen, die über ihren Betten schweben und Lebensberatung für Pilger und Pilgerinnen anbieten? Das gabs! Zumindest wenn man den entsprechenden katholischen Heldinnengeschichten des 18., 19. und 20. Jahrhunderts glaubt. Zu den wesentlichen Merkmalen von Frauen wie Therese Neumann aus Konnersreuth gehörten aber nicht nur Stigmatisation und Levitation, sondern auch die Praxis radikaler Nahrungsabstinenz. Pünktlich zur Fastenzeit erzählt die Religionswissenschaftlerin Bernadett Bigalke im Podcast, wie geschundene, bettlägrige Frauen u.a. durch den Verzicht auf Nahrung zu grosser religiöser Autorität in einem bestimmten katholischen Milieu gelangten. Sie kommt dabei auch auf konkurrierende Konzepte von Heiligkeit zu sprechen, auf «Breatharianism» und auf bekehrte Ärzte. Und sie erklärt, weshalb Markus Söder in die Peripherie der tschechischen Grenze fährt, um Wahlwerbung zu machen.
Weshalb hat die Weihnachtsgeschichte vier verschiedene Anfänge? Wie kann man angesichts der aktuellen Weltlage an Weihnachten Hoffnung schöpfen? Und – jetzt wirklich – wie kommen Ochs und Esel eigentlich in die Krippe? Der Theologe und pensionierte Fraumünster-Pfarrer Niklaus Peter erzählt von der Radikalität der Weihnachtsgeschichte und von ihrer Kraft, noch nach 2000 Jahren die Glocken zum Klingen zu bringen. Er spricht sich dafür aus, Religionen klug zu lesen, und auf die Kraft zur Transformation zu hoffen. Ausserdem erzählt er von blökenden Franziskanern, vom kreativen Potenzial von Übersetzungsfehlern, von der Einführung von Christbäumen und von Evangelien in Klangform.
Wann ist man alt und woran merkt man das? Sind alle alten Menschen unglücklich und einsam? Und: Kann man sich auf das Alter(n) vorbereiten? Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich Ralph Kunz, Professor für Praktische Theologie, nicht nur, aber auch beruflich. Im Podcast-Gespräch berichtet er von überraschenden Forschungsergebnissen und spricht über Einsamkeit und Gemeinschaft im Alter. Ausserdem geht es um Übergänge und Lebensaufgaben, um «Successful Aging», geistigen Proviant und reife Früchte.
Voodoo (Vodun) bezeichnet eine Vielzahl religiöser Praktiken und Traditionen – an der Küste Westafrikas sowie auf Haiti und in Louisiana. In Brasilien spricht man von Candomblé und auf Kuba über Santería. Allen gemeinsam ist der Bezug auf Geister, die ursprünglich aus Afrika kommen. Die Anthropologin und Religionswissenschaftlerin Birgit Meyer zeichnet im Podcastgespräch nach, wie die christlichen Missionare die Götter des Vodun systematisch verteufelten – und den Glauben an sie gerade dadurch am Leben erhielten. Meyer, 2023 Ehrendoktorin der Theologischen Fakultät der UZH, spricht zudem über Vodun als Ressource für Schutz und Heilung, über die Offenheit von Vodun-Priestern gegenüber dem Internet und neuen Medien und über Museumsstücke, in denen hungrige Geister auf ein Opfer warten.
Weitere Informationen zu den erwähnten Personen und Themen:
Dass in Deutschland und Österreich der 31. Oktober 1517 als Reformationstag gilt, ist nicht etwa Luther zu verdanken, sondern dem damals erst 20-jährigen Philipp Melanchthon. Er war es, der Luthers legendären Thesenanschlag über sein breites Briefnetzwerk bekannt gemacht hat. Tobias Jammerthal, seit Anfang September Professor für Reformationsgeschichte an der Theologischen Fakultät in Zürich, erzählt im Podcast-Gespräch von Melanchthons rasanter universitärer Karriere und von seiner Vermittlerrolle in der Reformation. Ausserdem macht Jammerthal auf wirtschaftliche Aspekte der Reformationsbewegung aufmerksam, erläutert die unterschiedlichen Positionen bei den Zürcher Disputationen und verrät, wer in Wittenberg gemeinsam in einer ‹Reformatoren-WG› wohnte. Für Jammerthal sind die Überlegungen der Reformatoren auch heute noch aktuell – nicht nur, weil Religion etwas ist, das jeden direkt angeht, sondern auch, weil sie dabei helfen, den wachsenden Leistungsdruck in unserer Gesellschaft zu relativieren.
Religion spielt im Nationalrat nur dann eine Rolle, wenn es um Skandale, Ausgrenzung und Abwehr geht. Dabei gibt es bei der Integration von religiösen Minderheiten, im Umgang mit (spirituellen) Konfessionslosen und in der «Seelsorge» viel zu tun. Die Nationalrätin Irène Kälin beschreibt im Podcast-Gespräch, wo ihrer Meinung nach der Staat zurzeit seine Verantwortung nicht wahrnimmt und wie eine «positive Religionspolitik» aussehen könnte. Ausserdem erzählt sie von der Frustration, dass «Fake-News» und Fakten in der Politik gleich viel (oder wenig) wert sind, spricht über die Gemeinsamkeiten von politischen Parteien und religiösen Bewegungen und formuliert einen Auftrag an die (Religions-)Wissenschaft: Sie soll raus aus dem Elfenbeinturm und sich laut und offensiv bemerkbar machen!
Warum ziehen manche Jüdinnen und Juden ab heute, mit dem Beginn von Sukkot, für eine Woche in eine wacklige «Laubhütte»? Und wo bekommt man eine solche her, wenn man ohne Balkon, Garten oder Terrasse lebt? Beim fröhlichsten der drei jüdischen Wallfahrtsfeste geht es um eine Erinnerung – und daran, dass es nicht der Reichtum ist, der zählt. Rabbiner Dr. phil. Jehoschua Ahrens erklärt die historischen Hintergründe und warum bis heute in orthodoxen Synagogen Frauen und Männer getrennt sitzen. Er spricht ausserdem über die Ursprünge des christlichen Antisemitismus und die noch immer latent vorhandenen antijüdischen Tendenzen in Teilen der christlichen Theologie. Rabbiner Ahrens ist aber auch überzeugt, dass wir in «historischen Zeiten» leben, und zitiert den Zürcher Rabbiner Zwi Taubes (1900-1966), einen Kritiker des kirchlichen Antisemitismus. Nie seien sich die drei «positiven Offenbarungsreligionen» so sehr auf Augenhöhe begegnet wie heute. Ahrens blickt deshalb positiv in die Zukunft und ist überzeugt, dass die Religionen die Menschen zusammenbringen müssen, zumal sie jenseits von nationalstaatlichen Interessen und Parteipolitik auf der Basis von Grundwerten, Ethik und Moral Brücken bauen können.
Weitere Informationen zu den erwähnten Personen und Themen:
Über weibliche Beschneidung scheint alles gesagt zu sein: Es handelt sich um eine barbarische, afrikanische Praxis, die mit «richtiger» Religion nichts zu tun hat. Oftmals wird von «Genitalverstümmelung» gesprochen, zumal die meisten bei diesem Thema an extreme Formen der Beschneidung denken. Dass es eine grosse Vielfalt sowohl in den Praktiken als auch den Deutungen weiblicher Beschneidung gibt, wird im öffentlichen und im wissenschaftlichen Diskurs konsequent ausgeblendet.
Die Religionswissenschaftlerinnen Linda Bosshart und Jill Marxer zeigen im Podcastgespräch, dass die derzeit dominante, undifferenzierte Betrachtung weiblicher Beschneidung den Blick für andere Deutungsmuster versperrt und der Realität nicht gerecht wird. Narrative von Frauen, die ihre Beschneidung religiös oder traditionell-gemeinschaftlich verstehen – z.B. als Vollendung des Körpers, als Verbindung zu ihren Ahninnen oder als feministischen Akt (wie Fuambai Ahmadu) –, sind diskursiv marginalisiert. Die «westliche» Perspektive ist zudem geprägt von kolonialen Vorstellungen von Afrika, blendet Parallelen zur männlichen Beschneidung gezielt aus und hat z.T. rassistische und paternalistische Züge – z.B. wenn es um die Unterscheidung von operativen Eingriffen aus ästhetischen oder religiösen Gründen geht.
Weiterführende Informationen finden Sie im Artikel «Weibliche Beschneidung: (k)ein religionswissenschaftliches Thema?» von Linda Bosshart und Jill Marxer.
Was ist an Pfingsten eigentlich passiert? Ist der Heilige Geist als Feuerflamme auf die Menschen herabgekommen oder haben lediglich ein Dutzend betrunkener Männer am jüdischen Pilgerfest Schabuot randaliert? Stefan Krauter, Professor für Neues Testament, spricht über wesentliche Elemente der Pfingstgeschichte und ordnet sie ein. Er erklärt, was der Heilige Geist mit heisser Atemluft zu tun hat, worum es sich bei «Zungenrede» handelt und inwiefern Pfingsten die Umkehrung der Geschichte des Turmbaus zu Babel zu ist. Gelesen als politischer Text überbietet die Pfingstgeschichte nicht nur die römische Ideologie der Prinzipatszeit, sondern hat mit ihren charismatischen Elementen auch innerhalb der heutigen Kirche noch Sprengkraft. – Aber was hat das alles mit Karate zu tun?
Ohne die Kenntnis von Evangelikalismus kann man die heutige Welt nicht mehr verstehen: Ob es sich um die Entwicklungen in der US-Geschichte der letzten 50 Jahre handelt, um afrikanische Pfingstkirchen oder auch um den Erfolg Bolsonaros in Brasilien – all diese Phänomene sind eng mit dem politischen Einfluss von evangelikalen Kreisen verknüpft. Das sagt der Theologe und Profi-Podcaster Thorsten Dietz. Er erklärt den Unterschied zwischen Evangelikalen, Links-Evangelikalen und Post-Evangelikalen und zeigt auf, wieso der Autoritätsglaube in evangelikalen Kreisen so ausgeprägt ist. Dietz spricht ausserdem über die liberale Theologie als «Endgegner» des Evangelikalismus und über die Aktualität und Sinnhaftigkeit des Teufels.
Queere Identitäten und neue, alternative Beziehungsformen stellen die traditionellen, im Christentum verankerten Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit und Monogamie in Frage. Was verbirgt sich hinter den Buchstaben LGBTQI? Was gilt wann als normal? Hat Gott die Menschen wirklich als Mann und Frau erschaffen? Der Theologe und Ethiker Michael Coors geht darauf ein und erklärt, zu welchen existenziellen Problemen soziale Normen führen können. Coors äussert sich ausserdem zur Debatte über die Anerkennung polyamorer Beziehungsformen und ihr Verhältnis zur traditionell monogamen Ehe und spricht sich mit Nachdruck dafür aus, die rechtliche Änderung der Geschlechtsidentität zu vereinfachen.
Weitere Informationen rund um das Thema trans finden Sie auf der Website von Transgender Network Switzerland: https://www.tgns.ch
Ein breites Spektrum an Beratungsangeboten insbesondere für junge Menschen bietet auch das Programm du-bist-du. Informationen dazu erhalten Sie unter https://du-bist-du.ch
Achtsamkeit, konsequente Gewaltlosigkeit und Verzicht sind zentrale Werte im Jainismus. Sehr viele Jains sind Vegetarier:innen, immer mehr leben vegan und einige sind ökonomisch sehr erfolgreich – ziemlich aktuell sollte man meinen. Dennoch ist diese alte, aus Indien stammende Religion nur wenigen bekannt. 6–7 Millionen Menschen zählen sich weltweit zum Jainismus. Johannes Beltz, stellvertretender Direktor und Leiter der Sammlung des Museums Rietberg erklärt, was es mit dem Sterbefasten auf sich hat, wieso Wissen in der Ethik der Jains so eine grosse Rolle spielt und warum sich der Jainismus nicht viel mehr verbreitet hat. Beltz führt uns durch die Ausstellung zum Jainismus im Museum Rietberg, erläutert wie Verzicht und Reichtum zusammenpassen können und zeigt Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum Buddhismus auf.
Die Ausstellung «Jain Sein – Kunst und Leben einer indischen Religion» läuft noch bis zum 30. April 2023 im Museum Rietberg in Zürich.
Fotos und Kurzvideos zum Gespräch in der Ausstellung und zu den erwähnten Exponaten finden Sie auf unserem Instagram Kanal
Die Johannespassion von Johann Sebastian Bach ist, wenn man genau hinhört, stellenweise sowohl in Moll als auch in Dur geschrieben. Dieser musikalische Widerspruch ist kein Zufall, sondern Bachs Interpretation vom Geschehen am Karfreitag – er zeigt eindringlich die Gleichzeitigkeit von Grauen und Hoffnung in der Passion Jesu. Der Dirigent, «Musiktheologe», Komponist und Ehrendoktor Rudolf Lutz erzählt auch davon, warum und wie Menschen, die weder mit Kirche noch mit «klassischer» Musik etwas anfangen können, von Bach fasziniert sein können. Ausserdem denkt er über musikalischen Zeitgeist nach, erläutert die unterschiedlichen Jesusbilder in den Passionen und spielt und singt vor, wie Judas sich anhört. Ganz zum Schluss spielt Rudolf Lutz noch ein paar Takte seiner eigenen Markuspassion, die im März 2024 an der Universität Zürich uraufgeführt wird – eine Weltpremiere!
Wir danken der J.S. Bach-Stiftung, dass wir den Anfang von Bachs Johannespassion im Podcast verwenden dürfen, und dem Musikzentrum der Migros Klubschule in St. Gallen für die Möglichkeit, in einem ihrer Räume aufzuzeichnen.
The Jedi religion from the Star Wars saga has hundreds of thousands of followers today, down from the hundreds of thousands who said they were Jedi in the 2001 and 2011 England and Wales Censuses. But do they really believe in Darth Vader and the Death Star? And what connections can be established between pop culture and religious ideas in general? Beth Singler, Assistant Professor of Digital Religion(s) - and not, as Chat GPT has suggested, a member of the Health and AI steering committee at the Turing Institute - talks about science fiction-inspired religions, animism in vernacular Christianity and the fact that we think Chat GPT is intelligent just because it is linguistically eloquent. She also addresses ethical issues surrounding the Metaverse, asks whether artificial intelligence could found a religion and presents some specimens from her robot collection.
Die Jedi-Religion aus der Star-Wars-Saga hat heute hundertausende von Anhänger:innen – glauben diese wirklich an Darth Vader und den Todesstern? Und welche Zusammenhänge lassen sich zwischen Popkultur und religiösen Ideen ganz allgemein feststellen? Beth Singler, Assistenzprofessorin für Digital Religion(s) – und nicht, wie Chat GPT suggeriert, Mitglied im Steuerungsausschuss am Turing Institut – spricht über Science-fiction-inspirierte Religionen, Animismus im volkstümlichen Christentum und die Tatsache, dass wir Chat GPT für intelligent halten, nur weil er sprachlich eloquent ist. Ausserdem geht sie auf ethische Fragen rund um das Metaverse ein, fragt ob Künstliche Intelligenz eine Religion gründen könnte und stellt einige Exemplare ihrer Robotersammlung vor.
Diese Episode von «Erleuchtung garantiert» erscheint ausnahmsweise in englischer Sprache. Feedback dazu oder zum Inhalt der Folge ist sehr willkommen – auch auf unserem brandneuen Instagram-Kanal!
Staatliche Institutionen haben oft ein diffiziles Verhältnis zu Religionsgemeinschaften, zumal sie ihnen gegenüber stets neutral sein sollten. Nationalstaaten zeigen aber auch selbst religiöse Züge: Zum Beispiel wenn hierzulande neue Bundesrät:innen vereidigt oder die Bevölkerung am 1. August auf den Mythos Schweiz eingeschworen werden. David Atwood, seit dem 1. Februar Professor für Religion und Öffentlichkeit am Zentrum für Religion, Wirtschaft und Politik (ZRWP), ist nicht nur Religionswissenschaftler, sondern hat auch lange als Koordinator für Religionsfragen beim Kanton Baselstadt gearbeitet. Im Podcast spricht er über konkrete staatliche Herausforderungen wie die Seelsorge in öffentlichen Institutionen oder Radikalisierungsprävention, geht aber auch auf die religiösen Aspekte von Fussball und Bergsteigen ein und darauf, wie eine indischstämmige Heidi die Schweiz verändern kann.
Wurde 9/11 von Reptiloiden inszeniert, die heimlich die US-Regierung kontrollieren und Menschenblut trinken? Solche Erzählungen muten für viele absurd an, andere halten sie für plausibel oder zumindest möglich – auch in der Schweiz. Der Religionswissenschaftler Loïc Bawidamann hat untersucht, wie ein spiritueller Blogger und eine religiöse Gemeinschaft mit Verschwörungserzählungen umgehen, wie sie sie untereinander verknüpfen, mit religiösen Überzeugungen verbinden und weiterverbreiten. Im Podcastgespräch geht er auf die bekanntesten Narrative ein, zeigt auf, weshalb sie gerade in den USA so erfolgreich sind, und erläutert, weshalb bestimmte Erklärungen überhaupt als Verschwörungserzählungen einzustufen sind. Als Religionswissenschaftler spricht sich Bawidamann zudem dafür aus, auf eine vorschnelle Bewertung der Narrative zu verzichten und den Leuten zuzuhören.
Nicht nur in Russland, im Iran und in den USA hängen Politik und Religion eng zusammen, auch in Deutschland und in der Schweiz sind politische Entscheidungen oft mit religiösen Überzeugungen verbunden. Aber wirkt sich tatsächlich der Glaube und die religiöse Zugehörigkeit von Parlamentarier:innen auf ihre politische Arbeit aus? Vanessa Kopplin hat das untersucht und ist zu überraschenden Ergebnissen gekommen. Im Gespräch erzählt sie, weshalb man sich in der Schweiz nicht als «Fischli» outen darf, wieso SVP-Politiker:innen die Kirche zwar kritisieren, aber nicht aus ihr austreten und von einer Parlamentarierin, die bei wichtigen Entscheidungen im Bundestag ihre tote Grossmutter um Rat bittet.
Die Geburtsgeschichte von Jesus war für Christ:innen lange Zeit kaum von Bedeutung. Und Weihnachten als Fest «der Liebe», der Familie und der Geschenke ist eine ziemlich neue Tradition. Jörg Frey, Professor für Neutestamentliche Wissenschaft und Antikes Judentum, erzählt wie Ochs und Esel in die Krippe kamen und weshalb Martin Luther das Christkind erfunden hat. Was ist der philosophische Kerngedanke der Weihnachtsgeschichte, was ist die Idee der «Fleischwerdung»? Frey jedenfalls spricht sich dafür aus, Welt und Leiblichkeit ernst zu nehmen!
Lange Zeit konnte die Historikerin Nadezhda Beliakova in Moskau ungestört zu religiösem Widerstand in der späten Sowjetunion und zu den Beziehungen von Staat und religiösen Gemeinschaften in der Ukraine, in Belarus und im Baltikum forschen. Spätestens nachdem sie und ihr Mann sich allerdings an Protestbriefen und ihre Tochter an Strassenaktionen gegen den Krieg in der Ukraine beteiligten, gab es staatliche Konsequenzen und das Ehepaar entschied sich im Juni 2022 für das Exil.
Im Podcastgespräch erzählt die Wissenschaftlerin von ihrer eigenen Situation und von einer politischen Elite, die Historiker:innen nicht als Expert:innen akzeptiert, sich selbst aber auf die (angebliche) Geschichte Russlands beruft. Zudem berichtet sie von Netzwerken religiöser Aktivist:innen zur Zeit des «Eisernen Vorhangs» und von einem Gärtner aus der DDR, der wider Willen zum Bibelschmuggler wurde.
Die römisch-katholische Kirche muss sich verändern. Das ist nicht nur ein dringendes Anliegen vieler Kirchenangehöriger, sondern gemäss Papst Franziskus auch der Wille Gottes. Entscheidungen sollen dereinst nicht mehr vom Papst und den Bischöfen alleine getroffen werden, sondern unter Einbezug der Gemeinden. Die römisch-katholische Theologin und Aktivistin Dorothea Sattler setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass in diesem Zusammenhang auch Frauen angemessen beteiligt werden müssen und die volle Teilhabe an allen Diensten und Ämtern erhalten sollten. Sie ist überzeugt, dass ein umfassender Reformprozess mit Machtverzicht, Partizipation und Transparenz für die Zukunft der katholischen Kirche unverzichtbar ist – als Alternativen blieben nur die Gründung einer neuen Kirche oder der stille Rückzug.
Dorothea Sattler wurde von der Theologischen Fakultät der Universität Zürich 2022 mit der Ehrenpromotion für ihr ausserordentliches Engagement gewürdigt.
Am Schluss dieser Podcast-Folge findet sich ein Hinweis auf die Pop-Up Konferenz «Research on Religion and Spirituality by Scholars at Risk», die vom 1.–3.12.2022 an der Theologischen Fakultät in Zürich stattfand. Die Konferenz ermöglichte den Austausch unter geflüchteten und im Exil-lebenden Wissenschaftler:innen aus Ländern wie der Ukraine, Iran, Afghanistan und China und bot Einblicke in die vielfältige Forschung dieser «Scholars at Risk».
Was hilft es den kriegsversehrten Menschen in der Ukraine, wenn jemand für sie betet? Meinen gläubige Menschen tatsächlich, Gott durch Gebete beeinflussen zu können? Der Theologe und Religionsphilosoph Markus Höfner hält die Annahme für unplausibel, Gebete hätten eine kausale, «magische» Wirkung auf Gott und damit unmittelbaren Einfluss auf das Geschehen in der Welt. Er argumentiert dennoch dafür, dass Beten mehr als ein innerpsychisches Wellness-Programm ist und Gott mehr als eine nützliche Fiktion. Ausserdem spricht er über das Beten als Empowerment, über Gebetsräume, das Minarettverbot in der Schweiz und Entweihungsgottesdienste.
Gehen die grusligen Halloweenmasken tatsächlich auf einen keltischen Totenkult zurück? Oder hat Halloween mit den kirchlichen Totenfeiertagen Allerheiligen und Allerseelen am 1. und 2. November zu tun? Der Religionswissenschaftler und Keltenspezialist Bernhard Maier spricht über politisch und religiös motivierte (Fehl-)Interpretationen alter Bräuche, die Vielfalt christlicher Traditionen und das vermeintliche Verschwinden der Kelten. Ausserdem geht es um Prunkgräber, den «germanischen Lichterbaum» und um die Paddington-Teddies für die Queen.
Bei den gegenwärtigen Protesten im Iran geht es nicht um das Kopftuch an sich, sondern um die Freiheit es zu tragen – oder auch nicht. Saida Mir Sadri, Gastprofessorin für Islamische Theologie und Bildung, hat in Ghom, der vielleicht konservativsten Stadt des Irans, sehr erfolgreich unter lauter Männern studiert und setzt sich in ihren wissenschaftlichen Arbeiten u.a. mit der Verantwortung des Menschen für die Welt auseinander.
Als muslimische Philosophin ist sie überzeugt, dass es im Islam neue Antworten auf zeitgenössische Fragen braucht – ob beim Thema Ökologie oder Frauenrechte – und damit auch Gott neu gedacht werden muss. Als Dozentin an der Universität Zürich wundert sie sich darüber, dass Schweizer Männer Frauenrechte offenbar als Frauensache wahrnehmen – ganz im Gegensatz zu den meisten jungen Iranern.
Indien entwickelt unter dem Einfluss der hindu-nationalistischen Partei BJP immer stärker faschistische Strukturen. Ausgehend von der Idee des Hindu als biologisch-rassische Kategorie werden Minderheiten systematisch ausgegrenzt und die Rolle von Tätern und Opfern verdreht. Die Politikwissenschaftlerin und Anthropologin Britta Ohm zeigt auf, wo diese Entwicklung ihre Ursprünge hat, wie sie konkret funktioniert und wohin sie führt. Ausserdem erzählt sie von einem Imbissverkäufer, der verhaftet wurde, weil er sein Essen ins falsche Zeitungspapier gewickelt hat, und erklärt, weshalb in den Vorgärten indischer TV-Familien stets ein Tulsi-Baum steht.
UZH-Rektor Michael Schaepman berichtet von seiner Kindheit und Jugend zwischen Calvinismus, Katholizismus, Luthertum und Zwinglianismus und hinterfragt seine von den Eltern geprägte Arbeitsmoral. Er erzählt von seinen Iranreisen als Geograph, den faszinierenden Klimabedingungen dort und davon, dass der Iran anders ist als erwartet. Er traut dem theologischen Denken und dem religionswissenschaftlichen Wissen über Religionen einiges zu und plädiert dafür azyklisch zu investieren, sich den Fragen der Ethik und den Wertediskussionen zu stellen – denn die Existenz Künstlicher Existenz zieht seiner Meinung nach «eine riesige Ethikdiskussion, eine Wertediskussion hinter sich her» die Frage ist «wer übernimmt die Verantwortung? … das machen nicht die Naturwissenschaftler…»
War am Anfang der Urknall, göttliches Handwerk oder doch ein Kampf gegen riesige Meeresungeheuer? Über den Ursprung der Welt denken die Menschen schon seit tausenden von Jahren nach, auch weil damit ganz grundlegende Perspektiven auf Welt und Wirklichkeit verbunden sind. Thomas Krüger erzählt in der letzten Podcastfolge dieser Staffel von Anfängen und Potenzialen, von kooperativen und direktiven Schöpfungsstilen, von Traditionen und der Aktualität uralter Texte. Er erklärt, warum die biblischen Schöpfungsmythen die Menschen zum respektvoll Umgang mit der Welt auffordern und inwiefern das Leben mehr als die faktische Wirklichkeit umfasst. Ausserdem denkt er darüber nach, wie man sich Gott vorstellen kann, wenn man Evolution ernst nimmt, und ob es ein Problem ist, wenn man niemanden hat, bei dem man sich über die Welt beschweren oder für ihre Schönheit bedanken kann.
Armut, Gehorsam und keusche Ehelosigkeit usque ad mortem, bis zum Tod: Der damit verbundene Verzicht eröffnet die Freiheit, sich anderen Menschen mit grösserer Aufmerksamkeit zuzuwenden, davon ist Pater Laurentius überzeugt. Im Gespräch erklärt der Novizenmeister, warum Kuscheltiere in der Mönchszelle nicht zu einem reifen Ordensleben beitragen und weshalb der Nachwuchs der Dominikaner heute eher aus Vietnam und als aus Polen kommt. Ausserdem spricht er darüber, wie wichtig der Blick auf die Wahrheit der Anderen ist, um die Welt gemeinsam im Sinn eines guten Humanismus gestalten zu können und was die «Auffahrt» vor Pfingsten bedeutet.
(Am Katholikentag 2022 wurde ein kurzes Video von Pater Laurentius Höhn und Erzbischof Jean-Paul Vesco – den Höhn im Gespräch erwähnt – aufgezeichnet. Sie finden es hier.)
Männer sind erfolgreich - Frauen tragen Schmuck? Anhand von bis zu 4000 Jahre alten Siegeln wird im Gespräch mit hartnäckigen Vorurteilen aufgeräumt. Ausserdem geht es darum, dass Daumennagel-kleine Darstellungen von Sex einst Dämonen abwehren sollten und dass der Verlust eines winzigen Siegels seine Besitzer:innen teuer zu stehen kommen konnte. Bruno Biermann ist Mitglied eines Forschungsprojektes, das sich antiken Stempelsiegeln aus dem Gebiet des heutigen Israel, Palästina und Jordanien befasst. Er erklärt wie Perspektiven von Wissenschaftler:innen den Blick auf ihren Forschungsgegenstand prägen und inwiefern eine digitale Datenbank zu neuen Forschungsergebnissen führen kann.
Die Vorstellung, dass Staat und Kirche, Politik und Religion eng zusammengehören, ist nicht neu, sondern ein Narrativ mit alten Wurzeln im oströmischen Reich. Die «Sakralisierung russischer Politik», die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine immer wieder thematisiert wird, ist eine Konsequenz dieses alten Narrativs, wie der Religions- und Politikwissenschaftler Sebastian Rimestad erläutert. Im Gespräch mit Dorothea Lüddeckens geht er zudem den Fragen nach, was es heisst, «orthodox» zu sein, wie es um die politische Loyalität der Kirchen in Russland und in der Ukraine steht und wieso Statistiken zur Religionszugehörigkeit mit Vorsicht zu geniessen sind.
Kritischer Blick auf die eigene Disziplin: Sabrina Müller, selbst Praktische Theologin und Geschäftsleiterin des Universitären Forschungsschwerpunktes «Digital Religion(s)», macht auf den «bias», auf Verzerrungen aufmerksam, unter anderem bei «deutschsprachigen, weissen, männlichen Praktischen Theologen». Sie selbst fordert auch weibliche, Trans- und nicht-europäische Perspektiven ein, erzählt vom Potential religiös gedeuteter Erfahrungen und will «Theologie von unten», die empowert – mit und ohne Dämonen.
Die Kreuzigung Jesu diente nicht der Satisfaktion eines beleidigten, zornigen Gottes und war auch kein kultisch-religiöser Akt. Jörg Frey, Professor für Neutestamentliche Wissenschaft mit dem Schwerpunkt antikes Judentum, zeichnet einflussreiche Narrative und Denkfiguren nach, erläutert die historischen Hintergründe und die politische Gemengelage und bietet zudem eine theologische Deutung. Dabei argumentiert er gegen Missverständnisse und fatale antisemitische Klischees.
Bismillah. Musiklabels, die während des Ramadans geschlossen sind, Musik, die davon erzählt, wie die Hinwendung zum Islam zur positiven Lebenswende führt, Musik, die von Politiker*innen für gewaltsame Unruhen verantwortlich gemacht wird – um das geht es im Gespräch mit Andrea Suter vom Religionswissenschaftlichen Seminar. Sie erklärt, wie die Figur des Rappers zum symbolischen Sammelbecken für das postkoloniale Frankreich wurde, und berichtet von Rappern, die ganz selbstverständlich darüber diskutieren, ob es «haram» (verboten) ist, Hunde zu kaufen.
Gibt es eine Verantwortung schuldig zu werden? Der Theologe Dominik Weyl spricht mit Bezügen zum Krieg in der Ukraine darüber, welche Vorstellung von Gott für Bonhoeffers Denken entscheidend war, was er über das Töten dachte, warum Freiheit immer nur in Beziehung zu verstehen ist und vom Wunsch, Tyrannen aus der Szene zu nehmen. Dietrich Bonhoeffer hat den kirchlichen und politischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus nicht nur theologisch durchdacht, sondern ihn auch aktiv mitgetragen – und wurde dafür im April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet.
In unmittelbarer Todesnähe machen Menschen tiefgreifende Erfahrungen ganz unterschiedlicher Art: Sie werden durch einen Tunnel gesaugt, wandeln über paradiesische Wiesen, beobachten von aussen, wie ihr Körper wiederbelebt wird, oder sehen in rasender Geschwindigkeit ihren eigenen Lebensfilm rückwärts vor sich ablaufen. Jens Schlieter, Religionswissenschaftler und Tibetologe an der Universität Bern, spricht über die Geschichte solcher Nahtoderfahrungen, über ihre unterschiedliche Gestalt in verschiedenen Kulturen und davon, wie sie aus wissenschaftlicher Sicht interpretiert werden können.
Sterben ist nicht nur mit Trauer und Verlust verbunden, sondern ermöglicht auch Momente stiller Fröhlichkeit und zeitloser Präsenz. Simon Peng-Keller, Professor für Spiritual Care an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich, berichtet von seinen empirischen Untersuchungen zu den visionären Begegnungen Sterbender und plädiert für einen Perspektivenwechsel: Nicht die dominante medizinische Aussensicht auf den Tod sei letztlich zentral, sondern das spirituelle Erleben der Sterbenden am Übergang in einen anderen Lebensmodus. Zuversichtlich stimmen dann nicht nur die Besuche von geliebten, längst verstorbenen Haustieren am Totenbett, sondern auch das letzte Staunen von Steve Jobs.
Eine etwas andere Folge zum Abschluss dieser ersten Staffel. Markus Huppenbauer, Ethiker, Theologe, Geniesser und kritischer Geist ist vor knapp einem Jahr plötzlich verstorben. In Gesprächen mit Barbara Bleisch, Stefan Jütte, Tobias Brügger und Niklaus Peter wird einigen Themen seines Denkens nachgegangen: Der Frage nach dem Guten Leben, nach Reichtum, nach dem Unkontrollierbaren und ob Religion spezifisch oder universal zu verstehen ist. Was (u.a.!) bleibt, ist die Erkenntnis, dass es Glanz im Leben braucht und auch das Schwere seinen Raum haben darf.
Eine Liebesgeschichte aus dem Mittelalter zwischen zwei Gelehrten, die damals für Furore (und Verbrechen) sorgte und bis heute von AutorInnen immer wieder neu erzählt wird. Warum sie ein Stück religiöser Zeitgeschichte ist und wie sie um 1900 in den USA aus emanzipierter Feder klingt, erzählt die Kirchenhistorikerin Silke-Petra Bergjan. In einem Seminar ist sie den Leser*innen und Folgeautor*innen gefolgt und hat vergessene Romane wieder ausgegraben.
Das Interesse an grenzüberschreitenden Fragen führt den systematischen Theologen und Religionsphilosophen Matthias Wüthrich zur Frage aller Fragen: Was ist der Mensch? In der heutigen Folge geht es um Grenzverschmierungen, falsche Analogien und die Frage der Willensfreiheit.
Sonne, Freude, Erleichterung - das kommt Isaac Osei-Tutu in den Sinn, wenn er an sein Heimatland denkt. Der Wirtschaftsethiker befasst sich mit charismatischen Pfingstgemeinden in Ghana und erzählt von luxusliebenden Pfarrern mit Maseratis, bewundernden und kritischen Gläubigen, und von Verträgen, in denen Geld und Hoffnung eine Rolle für den Glauben spielen.
Wenn es um muslimische Gruppierungen geht, gibt es oftmals viele Vorurteile und wenig Differenzierung. Die Ethnologin Dr. Mira Menzfeld klärt Missverständnisse auf und gibt Einblicke in ihre Forschungsarbeit zu Salafis.
Indien scheitert im Umgang mit der Pandemie. Dr. Nina Rageth erzählt von eigenen Erfahrungen in Indien, Gurus und ihren Corona-Heilmitteln und von persönlichen Tragödien, die sich in dieser humanitären Katastrophe abspielen.
Welche Rolle spielt Religion im Konflikt zwischen Israel und Palästina? Konrad Schmid spricht über Schulkinder im Shelter, Flüchtlinge ohne Rückkehrrecht, romantische Wertvorstellungen, die das Staatsverständnis Israels begründen und die Frage wie säkular Israel ist.
Seinem Namen getreu, stellt sich Prof. Dr. Thomas Schlag dem schlagfertigen Schlagabtausch. In der heutigen Folge geht es mit der CONTOC Studie um kirchliche Digitalisierung in Zeiten von Corona, gläserne Wände in Gottesdiensten, religiöse InfluencerInnen und die Frage nach der Schwarmintelligenz der Kirche.
Zwei Zeitreisende (Dr. Farida Stickel und Prof. Dr. Christoph Uehlinger) thematisieren verzerrte westliche Wahrnehmungen und das Doch-nicht-ganz-so-Anders-Sein. Ahyatolla Khomeni als unfreiwilliger Frauenbefreier? Tolerante Sassaniden und Intolleranz unter christlicher Herrschaft? Und schliesslich: Koffer packen für zukünftige Studienreisen.
Ein Frischling spricht über das Essen, aber auch darüber, dass nicht aus jeder Krise zwingend etwas Positives zu ziehen ist. Im Blick auf das Neue Testament ist Prof. Dr. Stefan Krauter aber auch wichtig, dass Krankheiten nicht auf die Sünde und Schuld des Einzelnen zurückgeführt werden.
Sie ist ein Hybrid der Oberklasse: Prof. Dr. Rana Alsoufi hat islamisches Recht, Islam- und Religionswissenschaft studiert und möchte in der islamischen Theologie Antworten auf die gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart entwickeln. Medizinethik ist ebenso ihr Thema wie der Austausch zwischen jüdischer und islamischer Theologie. Nicht zu vergessen: die kritischen Anfragen junger muslimischer Studentinnen zu Genderthemen im Islamischen Recht.
Prof. Dr. Ralph Kunz ist Generalist und denkt immer wieder quer zum Strom. Hat die Kirche angesichts des ersten Lockdowns geschlafen oder war sie in Schockstarre? Muss sie in die Therapie? Ist sie als grosser Tanker mit zu vielen stillen Passagieren womöglich zu schwerfällig geworden? Es stellen sich viele Fragen...
Er ist nicht der Mann fürs Grobe, sondern widmet sich dem differenzierten Denken in der Ethik: Prof. Dr. Michael Coors macht den Auftakt zur neuen Podcastreihe und diskutiert zusammen mit Dorothea Lüddeckens ein aktuelles Thema: die Impffrage. Was Impfen mit Ostereier Verstecken und der Leiblichkeit der menschlichen Existenz zu tun hat und welche ethischen Konflikte sich mit einer Impfpflicht stellen erfahrt Ihr in der heutigen Folge.
Liste aller Folgen (PDF, 281 KB) der Staffeln 1–6